1. Problemaufriss: Was ist Qualität?
Wenn allgemein darüber gesprochen wird, dass Evaluation die Qualität von
Schule sichern soll, so hängt es entscheidend davon ab, was als Qualität
definiert wird.
Nähern wir uns mit Michael Schratz (Vortrag
in Bollwiller 21.11.2000) der Fragestellung metaphorisch:
"Qualität ist mit Liebe vergleichbar. Sie ist nicht fassbar, aber doch vorhanden. Sie ist erlebbar, aber nicht quantifizierbar. Sie ist flüchtig, deshalb muss man sich immer wieder um sie bemühen." |
Wem dies zu abstrakt ist, findet bei Helmut Fend - einem Altmeister der pädagogischen Empirie - eine Beschreibung der "... Schule, die mich am meisten beeindruckt hat":
Was mich hier beeindruckt hat, dürfte kaum zu verbergen sein: das reichhaltige soziale Leben und der ästhetische Eindruck der schulischen Umgebung. Was ansonsten vielfach die Regel war, dass Klassenräume kahle Zimmer sind, in denen sich niemand gerne, war hier eindrucksvoll vermieden. In den meisten Schulen machten Klassenzimmer den Eindruck rein lernbestimmter Zweckräume, für deren Gestaltung niemand verantwortlich schien.
Der zweite beeindruckende Punkt war die Reichhaltigkeit der Tätigkeiten außerunterrichtlicher Art: die angeschlagenen Mitbestimmungsregeln, die Hinweise auf empfehlenswerte Fernsehprogramme, die Organisation von Theaterbesuchen, die von Schülern weitgehend selbst übernommen wurde, die verantwortlichen Tätigkeiten, was Pflege von Tieren und Pflanzen angeht, die Selbstorganisation sogenannter "niedriger Tätigkeiten" , wie Abfall zusammenräumen, der Einbezug der Eltern in Veranstaltungen der Schulen usw.
Dies alles war in zwei Tagen sichtbar, ohne dass irgendjemand darüber eigens berichtet oder als außerordentlich empfunden hätte.
... An der hier geschilderten Schule hatte ich den Eindruck, dass ein Rahmen geschaffen wurde, der den Aufbau von ästhetischem Empfinden, von sozialen Tugenden und von bewusster Gestaltung der Umwelt fördert.
2. Wie ist Qualität zu fassen?
Der Ansatz der Industrie Normen, Standards für messbare Gütereigenschaften
bzw. Prozesskosten relativ objektiv - letztendlich in der Einheit € abzubilden
- ist im Bildungsbereich umstritten. Wer kann heute schon sagen, was die
Zukunft an Bildung erfordert?
Bildungsstandards sind im Vergleich zu Standards
aus der wirtschaftlichen Produktion immer "weicher".
Aus dem im ersten Abschnitt gesagten, dürfte deutlich geworden sein, dass zur Erfassung von Qualität die Menschen in einem "System Schule" Vereinbarungen treffen können, die:
a. kommunizierbar,
b. beobachtbar und
c. beeinflussbar sind.
Qualitätsbegriff |
|
Qualität ist im Bildungswesen nicht objektiv, allgemein definierbar. | Qualität ist, was den pädagogischen und vereinbarten Anforderungen entspricht. |
Qualität ist im Bildungswesen nicht direkt messbar. | Qualität wird über Kriterien und Indikatoren beschrieben. |
Qualität im Bildungswesen ist abhängig von einem komplexen Einflussfaktorengefüge | Qualität muss einheitlich erfasst werden. |
Qualität im Bildungswesen wird auf unterschiedlichen Ebenen "produziert". | Qualität wird auf Schulsystem-, Schulart-, Schulhaus- und Klassenebene betrachtet. |
3. Welche Aufgaben hat ein Qualitätsmanagementsystem (QM)?
Immer schon haben Schulen sich um qualitative gute Ergebnisse bemüht. Deshalb ist der Einwand vieler Lehrkräfte, gegen "Das Gerede von der Qualität" durchaus ernst zu nehmen. Das Bemühen des einzelnen wird durch die Einführung von Qualitätsmanagementsystemen gar nicht in Abrede gestellt, obwohl subjektiv oft eine "Abwertung" gefühlt wird.
Arbeitsdefinition: |
Qualität bewertet die Beschaffenheit einer Schule (einer Klasse) an den in Aushandlungsprozessen gefundenen Ansprüchen und Zielvorstellungen der Anspruchsgruppen. |
Der Ansatz z.B. des Q2E-Systems (Qualität
durch Evaluation
und Entwicklung) ist darauf angelegt, in den Felder Nachhaltigkeit
und Verbindlichkeit einen Qualitätszuwachs zu sichern. Der Weg dazu ist,
dass ein Kollegium für sich definiert, was Qualität ist.
Dabei gilt
es Kriterien für die "Input-Faktoren, die Prozesse und die output-Faktoren"
selbstbestimmt zu entscheiden und sich dann aber auch darauf festzulegen.
Aufgabe eine QM-Systems wäre es nach Bestimmung des Selbstanspruches einer Schule - nach Berücksichtigung aller input- Faktoren - Methoden zu entwickeln und zu verwenden:
- die geeignet sind, die Qualität von Produkten und Prozessen zu erfassen,
- die Qualität, wo nötig, weiter zu entwickeln und
- die "bereits vorhandene gute Qualität" zu bewahren.
4.Vorläufiger Überblick: Evaluation
Laut des Beschlusses des Landtages von Baden - Württemberg vom 13. Dez. 2006 ist die Schule für ihre Qualität besonders in Verantwortung genommen:
"Die Schule untersucht und bewertet im Rahmen der Selbstevaluation mit ihrem eigenen Personal eigenverantwortlich die Qualität ihrer Arbeit. ... Damit kommt der Selbstevaluation eine Schlüsselfunktion bei der schulischen Qualitätsentwicklung zu."
Für den Beginn der verbindlichen Selbstevaluation der Schulen für das Schuljahr 2007/08 wird vom KM ein Erlass vorbereitet.
§ 114 Evaluation
(1) Die Schulen führen zur Bewertung ihrer Schul- und Unterrichtsqualität regelmäßig Selbstevaluationen durch; sie können sich dabei der Unterstützung sachkundiger Dritter bedienen. Das Landesinstitut für Schulenetwicklung führt in angemessenen zeitlichen Abständen Fremdevaluationen durch, zu deren Vorbereitung die Schulen auf Anforderung die Ergebnisse und Folgerungen der Selbstevaluation übersenden. Die Schulen unterstützen das Landesinstitut für Schulentwicklung in der Durchführung der Fremdevaluation. Das landesinstitut für Schulentwicklung übersendet die Ergebnisse der Fremdevaluation der Schule, die sie anschließend der Schulaufsicht vorlegt.
Bei der Evaluation werden alle am Schulleben Beteiligten, insbesondere Schüler und Eltern, mit einbezogen. Die Lehrer sind zur Mitwirkung verpflichtet.(2) Das Kultusministerium kann Schüler und Lehrer verpflichten, an Lernstandserhebungen von internationalen, nationalen und landesweiten Vergleichsuntersuchungen teilzunehmen, die schulbezogene Tatbestände beinhalten und Zwecken der Schulverwaltung oder der Bildungsplanung dienen, soweit es den Schülern und Lehrern zumutbar ist.
(3) Das Kultusministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu den Themen, den Methoden, dem Verfahren und dem Zeitpunkt der Evaluationen nähere Bestimmungen zu erladden
Das Landesinstitut für Schulentwicklung in Baden Würrtemberg (LS) definiert im " Orientierungsrahmen zur Schulqualität" 6 Qualitätsbereiche, die mittels eines Kriterienkatalogs strukturiert werden.
Die Evaluation orientiert sich an diesem Rahmen:
Qualitätsbereich I: Unterrichtsergebnisse und Unterrichtsprozesse
- I. 1 Fachliche und überfachliche Leistungen
- I. 2 Praxis der Leistungsmessung
- I. 3 Gestaltung der Lehr-/Lernprozesse
- I. 4 Schulkonzept
Qualitätsbereich II: Professionalität der Lehrkräfte
- II. 1 Kooperation im Kollegium
- II. 2 Praxis der Weiterqualifizierung
- II. 3 Umgang mit beruflichen Anforderungen und Belastungen
Qualitätsbereich III: Schulführung und Schulmanagement:
- III. 1 Führung
- III. 2 Steuerungskonzept
- III. 3 Personalentwicklung
- III. 4 Ressourcen
Qualitätsbereich IV: Schul- und Klassenklima
- IV. 1 Pädagogische Grundsätze
- IV. 2 Gestaltung der Lernumgebung
- IV. 3 Schulleben
Qualitätsbereich V: Außenbeziehungen
- V. 1 Zusammenarbeit Schule - Elternhaus
- V. 2 Kooperation mit anderen Institutionen
- V. 3 Außendarstellung
Der Qualitätsbereich VI: Qualitätsmanagement
ist im Vergleich zu den anderen Qualitätsbereichen darüberliegend
und spiegelt die Vorgänge in den anderen QBn.
Es wird festgehalten
das:
- VI. 1 Konzept der Selbstevaluation
- VI. 2 Grundlagen des schulischen Qualitätsmanagements
Selbst- und Fremdevaluation
Im Sinne einer modernen "Steuerungsphilosophie" sind komplexe
Systeme, das Bildungssystem ist in diesem Sinne ein komplexes System,
nicht von oben her steuerbar.
Der Versuch dies mit Bildungsplänen
direkt zu steuern, erwies sich in der bisherigen Tradition der KM-
Maßnahmen
als erfolglos. Eine "angestrebte Verbesserung der Bildungsqualität" ließe
sich nach diesem Modell eher erreichen, wenn an jeder einzelnen Schule
vor Ort Maßnahmen zur Veränderung der Schulen eingeleitet würden.
Denn jede einzelne Schule kann für sich besser entscheiden, was mit
ihren Schülern,
mit den bestehenden Ressourcen, ... geleistet werden kann.
Die Verwaltungsspitze schafft sozusagen den Rahmen - sie steuert durch den Kontext der gesetzlichen Maßnahmen, wirtschaftlichen Zuwendungen bzw. durch die Bildungspläne - , der unten freier gestaltet werden kann aber ausgefüllt werden muss.
Dies
bedeutet "für die Basis", dass mehr Verantwortung für
Erfolg getragen wird. Die Bemühung für den Erfolg sind in
diesem Sinne nachweispflichtig.
Gelingt das eine oder ander nicht,
so können aus dem "Misserfolg" immer noch Maßnahmen
abgeleitet werden, wie einer guten Idee auf einem anderen Wege zum
Erfolg verholfen werden kann.
Selbstevaluation wird damit zu einem Mittel der regelmäßigen Rechenschaftslegung für sich und "nach oben":
- erfolgreiche Projekte werden den anderen Mitgliedern der Schule bekannt,
- Verbesserungsvorschläge aus einer breiten Basis entwickelt.
Es soll keineswegs verschwiegen werden, dass diese Art des Arbeitens
- mehr Zeit zu Absprachen benötigt;
- eine Offenheit im Kollegium voraus setzt;
- dass die Diskussion von Ergebnissen persönlich belastend sein kann, wenn neue oder auch "bewährte" Maßnahmen in der Evaluation als erfolglos beschrieben werden.
Diese Art von Fragen ist wenig sinnvoll, da die Ergebnisse vorhersehbar sind. Bei einem Versuch beantworteten alle Teilnehmer diese Fragen mit ++.
(Die Vierer-Skalierung besitzt den Vorteil, dass sich die Befragten entscheiden müssen, was sie "eher wünschen". Bei ungerader Anzahl von Beantwortungsmöglichkeit ergibt sich häufig die Tendenz, das "Mittlere" zu nehmen.)
Bei diesem Beispiel wurden dagegen Unterschiede im Kollegium deutlich. Standpunkte konnten diskutiert werden.
Diese Fragen werden als offene Fragen bezeichnet. Die Fragen auf den davorliegenden Folien sind dagegen geschlossen.
Während geschlossene Fragen häufig leichte zu beantworten und auszuwerten sind, liefern offene Fragen häufig Interessantere Ergebnisse. (Leider werden die Ergebnisse manchmal aber als "nicht repräsentative Einzelmeinungen" abgetan. In der gemeinsamen Besprechung dieser Antworten (kommunikative Validierung") lassen sich oft Einsichten gewinnen, die aus den geschlossenen Fragen nicht heraus zu holen wären.
Unter Implementation wird der Rückfluss der Evaluationsergebnisse in die tägliche Praxis verstanden.
Diese Bedingungen zeigen auf, dass Evaluation nur dann auch wirklich einen Sinn besitzt, wenn kritische Themen angeschaut werden und der Wille zur Veränderung sichtbar ist.
Viele Evaluationsprojekte, bei denen ausschließlich nur festgestellt wird: "Wir sind ja so gut, wir brauchen nichts zu ändern" sind vergeudete Zeit.
Machen sie es sich zum Motto: "Zum Staubsaugen gehört es, dass auch der Teppich umgedreht wird!"
Literatur
Fend, H. (1998): Qualität im Bildungswesen - Schulforschung zu Systembedingungen, Schulprofilen und Lehrerleistung. Juventa
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